Die Jahre nach dem 2. Weltkrieg waren wie die vor dem Krieg für
Schostakowitsch äusserst schwierig. Die KPdSU drangsalierte die Kulturschaffenden, da ihre Werke dem Volk und der Partei nicht gefielen, und stempelte sie als Formalisten, Abweichler und Volksfeinde ab. Werke, die wie die Leningrader Sinfonie (1941) während des Kriegs erfolgreich waren, wurden kritisiert, vor allem die lockere „Sinfonie classique“ Nr. 9 (1946): „In welcher Zwergengestalt erschien uns Schostakowitsch in seiner Symphonie Nr. 9 angesichts der Grösse des Sieges.“ Auf den Komponisten-Kongressen wurden Schostakowitsch und andere gedemütigt. Im Herbst 1948 verlor er seine Professuren in Moskau und Leningrad. Im März 1949 delegierte ihn Stalin persönlich gegen seinen Willen an den Panamerikanischen Kongress für Kultur und Friedenssicherung in New York. „Sein“ Referat allerdings, ein Parteipapier, las dort ein Sprecher auf Englisch mit – gemäss Presseberichten – Inhalten übelster Art vor. Gleichwohl jubelte man Schostakowitsch zu. Wenigstens hörte er im Rahmen des Kongresses Bartóks Streichquartette Nr. 1, 4 und 6.
Ob diese Erlebnisse und Eindrücke ein Grund dafür waren, dass der Komponist Anfang Mai sein 4. Streichquartett zu schreiben begann (vollendet am 27. Dezember), ist nicht nachzuweisen. Vielleicht ist man zu rasch zur Einschätzung bereit, Streichquartette bedeuteten einen Rückzug ins Private. Sinfonien blieben allerdings vorerst zurückgestellt; die grosse 10. mit Stalins groteskem Porträt war erst nach dessen Tod möglich. Gegenüber den Vorgängern ist das neue Quartett ein verinnerlichtes, lyrisches Werk. Es legt alles Pathos ab, wirkt zurückgenommen. Es beginnt präludiumshaft mit einem eher ruhigen, kurzen Allegretto. Über liegenden Basstönen spielen die Geigen einen Zwiegesang, der nach dreissig Takten in einen dynamischen Höhepunkt mündet, später aber zurückkehrt. Östliche Volksmusik mit Dudelsackweisen klingt an, ist aber nirgends Zitat. Das Andantino in f-moll, einer der berührendsten Sätze des Komponisten, ist ein lyrischer Gesang der Primgeige, dem 2. Geige und Bratsche eine einfache rhythmische Struktur hinzufügen. Später tritt das Cello mit einer Gegenlinie hinzu. Zuletzt nimmt die 1. Geige die Führung wieder auf, und der Satz verklingt wie der erste im Pianissimo morendo. An Stelle eines Scherzos steht ein Allegretto in c-moll, das trotz mancher Bewegung verhalten, ja fahl wirkt (1. Teil con sordino) und ebenfalls pianissimo endet. Attacca schliesst, sich aus dem pp entwickelnd, das Finale an, ein Rondo. Es schöpft seine Melodien aus jüdischer Volksmusik, die in kurzen, sich wiederholenden Gedanken erscheinen. Die Bratsche übernimmt die Führung, tritt sie dann an die Primgeige ab. Auch dieser Satz wirkt zurückhaltend, voller Trauer. Einzig im zentralen Höhepunkt steigert er sich zu tänzerischer Ausgelassenheit. Nach diesem volksmusikhaften Intermezzo leitet die Bratsche in den klagenden Schlussteil zurück, der erneut pp morendo in D-dur ausklingt.
Janáčeks Kammermusik ist, wie die Smetanas, von persönlichem Erleben geprägt. Während er im 2. Quartett das eigene Liebeserlebnis verarbeitet, verwandelt er im ersten eine literarische Liebestragödie in ein subjektives Bekenntniswerk. Die Erregung über Tolstojs Schilderung hatte ihn bereits 1909 zu einem Klaviertrio angeregt, das er vernichtet hat, das unterdessen aber in einer Rekonstruktion vorliegt. «Aus einigen Gedanken daraus entstand das Quartett», schrieb er an Kamila Stösslová, die ihrerseits fünf Jahre später Anlass zum 2. Quartett wurde. Der 1. Satz ist ein Porträt der Frau, der 2. schildert ihr verhängnisvolles Zusammentreffen mit dem Geiger, der 3. enthüllt mit drastischer Deutlichkeit den Widerspruch zwischen der echten Liebe der Frau und der Eifersucht des Mannes, und der 4. Satz vereinigt die Katastrophe mit der Katharsis (nach D. Holland).
Dvořák war seit 1877 stark von Brahms beeinflusst und sah sich in Freundschaft durch den Älteren gefördert. Nur wenige Jahre nach dessen Klarinettenquintett schrieb er das G-dur-Quartett in der kurzen Zeit zwischen Anfang November und dem 9. Dezember 1895, ein halbes Jahr nach seiner zweiten Rückkehr aus New York. Zuvor war er nicht zur Arbeit, auch nicht zur Vollendung des As-dur-Quartetts op. 105, das er in New York begonnen hatte, imstande gewesen. Jetzt war alles anders: «Ich bin jetzt sehr fleissig. Ich arbeite so leicht und es gelingt mir so wohl, dass ich es mir gar nicht besser wünschen könnte.» Diese «erste Komposition nach der zweiten Rückkehr aus Amerika», wie der Komponist auf dem Titelblatt festhielt, lässt die neue Stimmung erahnen. Die Melodien- und Klangseligkeit des «Amerikanischen Quartetts» op. 96 ist zurückgedrängt und man beobachtet verstärkte motivische Arbeit; im Formalen ist trotz dem grossen Umfang des Werks alles konzentriert und durchgearbeitet. Der Kopfsatz, den Ludwig Finscher einen «der subtilsten Sätze, die Dvořák geschrieben hat» nennt, beginnt mit zwei signalhaften Motiven und ist durch harmonischen Reichtum bemerkenswert. Slawische Klanglichkeit verbindet sich mit sorgfältiger motivischer Arbeit. Das pathetische Adagio ist voller Emotionalität; es steht in Es-dur mit häufigem Wechsel nach Moll und ist als freier Variationssatz gestaltet. Das Scherzo in h-moll ist von slawischer Volksmusiknähe geprägt; es weist zwei Trio-Abschnitte auf: einen kantablen in As-dur und einen ländlerartigen in D-dur. Pentatonische Motive lassen Erinnerungen an «Amerikanisches» wach werden. Höhepunkt ist das Finale, welches auch das in der Romantik so schwierige Problem des Schlusssatzes formal klug löst. Nach einer Andante-Einleitung, die in der Mitte des Satzes wiederkehrt, greift es – typisch für die Spätromantik – Motive des Kopfsatzes auf, stellt sie aber in überraschende Zusammenhänge und Gegenüberstellungen, was aber auch schon kritisiert worden ist. Die Uraufführung des G-dur-Quartetts durch das Böhmische Quartett (mit Josef Suk, Dvořáks Schüler und zukünftigem Schwiegersohn, an der 2. Geige) fand erst im Oktober 1896 statt. Über ein halbes Jahr zuvor hatten Brahms und Dvořák miteinander die Wiener Erstaufführung der Sinfonie «Aus der Neuen Welt» gehört.