In Haydns D-dur-Quartett bildet das dreiteilige Largo in Fis-Dur, ein echter Mesto-Satz, den Schwerpunkt. Um dieses ernste, in sorgfältiger melodischer und harmonischer Entwicklung bis hin zum Verlöschen der Melodie gearbeitete Stück legt Haydn leichter gewichtete Sätze. So ist der Kopfsatz kein eigentlicher Sonatensatz (obwohl man ihn auch als solchen mit nur einem Thema zu analysieren versucht hat), sondern ein dreiteiliges 6/8-Allegretto mit einem siciliano-artigen Thema. Der Satz schwankt zwischen D-dur und d-moll und schliesst mit einer Allegro-Stretta. Unbeschwert trotz der dem Largo vergleichbaren Dreiklangmotivik kommt das Menuett daher, im d-moll-Trio grundieren Achtelfiguren des Cellos eine Art Perpetuum mobile. Der witzige Schlusssatz ist nun ein Sonatensatz, weist allerdings Besonderheiten auf. Im Charakter greift Haydn auf seinen überraschungsreichen Finale-Typus der 1780er Jahre zurück. Das Opus 76 ist nach den beiden England-Reisen entstanden und wurde dem Grafen Joseph Erdödy gewidmet. Gegenüber den wohl für England geschriebenen op. 71 und 74 treten die orchestralen Züge und die Virtuosität etwas zurück, um vermehrt wieder der Polyphonie Platz zu machen – was gleichsam auf eine Synthese hinausläuft. Man dürfte das Opus 76 als Summe, ja als Krönung des haydnschen Quartettschaffens bezeichnen, wären nicht, zumindest ab op. 33, bereits die früheren Zyklen, jeder in seiner Weise, so vollkommen. Vielleicht ist der Begriff «Ernte», wie ihn der Haydn-Spezialist Reginald Barrett-Ayres, Mitherausgeber der Urtext-Ausgabe der Streichquartette und Verfasser einer umfangreichen (417 Seiten) Monographie über Haydns Streichquartette (Joseph Haydn and the String Quartet, 1974) verwendet hat, richtiger. Auffallend am op. 76 ist die Individualität der sechs Stücke, wie auch die Nummer 5 zeigt.
Schuberts a-moll-Quartett sei, so äusserte sich dessen Freund, der Maler Moritz von Schwind, «im ganzen sehr weich, aber von der Art, dass einem Melodie bleibt wie von Liedern, ganz Empfindung». In der Tat klingen in diesem ersten vollgültigen Quartett nach dem grossen Entwicklungsschub im Instrumentalen der Jahre 1822–24 Lieder an: Im 1. Satz, der ganz «weich» zwischen der Unruhe der Begleitfiguren und der Ruhe der Kantilene schwankt, das (für Schuberts kurzes Leben lange) zehn Jahre ältere Gretchen-Lied «Meine Ruh ist hin» (D 118). Im so gar nicht tanzhaften Menuett erklingt im Cello ein Motiv, das an den Beginn des Schiller-Liedes «Die Götter Griechenlands» (D 677, 1819) erinnert, das A-dur-Trio zitiert daraus die Melodie zum Text «Kehre wieder, holdes Blütenalter der Natur». Im zweiten Satz verwendet Schubert 16 Takte lang – im Gegensatz zum zeitgleich geplanten d-moll-Schwesterwerk – kein Lied; er schreibt auch keine Variationen zum Thema des 2. Entre-Act aus der Schauspielmusik zu «Rosamunde» (das holt er im B-dur-Impromptu D 935/3 nach). Es dient im Schauspiel dem nachdenklichen Zurückblicken – und so empfinden wir alle Zitate und Anklänge im ganzen Quartett. Auch die ungarisierenden alla zingarese-Anklänge im Finale könnten diese Funktion haben. Es ist also nicht, wie man lange glaubte, Schuberts Unfähigkeit, unabhängig von Liedern zu komponieren, vielmehr ein gezieltes, in der entscheidenden Phase der Neuorientierung reflektierendes Zurückblicken.
Ravels Vorbilder waren, neben Mozart und Schubert, natürlich französische Komponisten wie Debussy, dessen Quartett für ihn – wenn auch nur partiell – eine Anregung war, oder Fauré, dem er sein eigenes widmete («A mon cher maître Gabriel Fauré»). Die Musik der erwähnten französischen Komponisten wirkt mit ihrer Eleganz, Transparenz und Klanglichkeit. So steht auch bei Ravels Quartett nicht Bedeutungsschwere im Vordergrund, doch zeigt es bei aller Farbigkeit und rhythmischen Vielfalt eine aristokratische Disziplin und Zurückhaltung, ja Zartheit, und verbindet so das Bedeutende mit dem Leichten, das Vornehme mit dem Spielerischen. Heute werden die Quartette Debussys und Ravels gerne nahe zusammen gesehen, nicht zuletzt wegen ihrer häufigen Koppelung auf CDs. Dadurch überhört man oft Ravels Personalstil und seine eigenständige Klangsprache. Ravel selber empfand sein erstes bedeutendes Kammermusikwerk als Abschluss der Studienzeit. In seiner Selbstbiographie schrieb er 1928: «Mein Quartett in f entspricht dem Wunsch nach musikalischer Konstruktion, der zweifellos unzulänglich realisiert ist, aber viel klarer erscheint als in meinen vorhergegangenen Kompositionen.» Diese zurückhaltende Einschätzung überrascht bei einem von Ravels besten Werken.
Die Entstehung des Quartetts dauerte von Dezember 1902 (Sätze 1 und 2) bis April 1903 (Sätze 3 und 4). Dann musste Ravel fast ein Jahr auf die Uraufführung warten. Sie fand am 5. März 1904 in Paris statt und rief verschiedene, teilweise heftige Reaktionen hervor: Debussy war begeistert und schrieb an Ravel: «Au nom des dieux de la Musique et au mien, ne changez rien à votre Quatuor!» Der Widmungsträger Fauré fand einiges zu kritisieren, und die Klassizisten, die den Rom-Preis zu vergeben hatten, konnten nichts damit anfangen (was wohl der beste Beweis für die Qualität und Eigenständigkeit des Werks ist): Sie schlossen Ravel 1905 von der Teilnahme am Rompreis-Wettbewerb aus – angeblich, weil er zu alt war. Das hatte Konsequenzen: Direktor Dubois wurde entlassen, und Fauré sein Nachfolger.
Ravel hielt sich zwar in Einzelheiten an Debussy (so haben etwa beide Scherzi fast die gleichen Vortragsvorschriften), und doch ist ein eigenes Werk entstanden, besonders in der Ableitung der meisten Gedanken aus den Themen des 1. Satzes und in der Wiederaufnahme früherer Motive, vor allem im 3. und 4. Satz. Eigenständig ist auch die Klanglichkeit, etwa im 3. Satz, der mit seinen Tempo- und Tonartenwechseln rhapsodischen Charakter aufweist. Besondere Klänge werden durch spezielle Spielweise, nicht zuletzt in hohen Lagen, bewirkt. Im Finale, das auf einem chromatischen Fünftonmotiv beruht, lässt Ravel, Sohn einer Baskin, die baskische Tanzrhythmik des «Zortzico» anklingen (Abwechslung von Fünfer- und Dreiertakt), allerdings in variierter Form.