Concerts Season 1955-1956

  • 7.2.1956
  • 20:15
  • 30.Season
Stadtcasino, Festsaal

Barylli-Quartett

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Haydns B-dur-Quartett op. 71/1 ist nach der ersten Englandreise entstanden und gehört zu den sechs dem Grafen Anton Georg Appónyi gewidmeten Quartetten op. 71 und 74. Sie wurden aber wohl vor allem im Hinblick auf den Geiger Johann Peter Salomon geschrieben, der Haydn 1791 nach dem Tod von Nikolaus Eszterházy nach London geholt hatte. Haydn hat in London ein Konzertleben mit grossbürgerlichem Publikum kennengelernt und überträgt die Erfahrungen, etwa durch Hereinnahme sinfonischer Elemente, auf die Kammermusik. «Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Quartette ‚äusserlich’ geworden wären; sie haben sozusagen zwei Ebenen: eine grossdimensionierte, glänzend virtuose, und eine strukturell-anspruchsvolle, die sich ergänzen» (Wulf Konold). Wie bei vier weiteren dieser Quartette setzt Haydn im B-dur-Quartett an den Anfang eine Art «Vorhang-Auf»-Passage. Sie ist diesmal – im Gegensatz zum op. 71/2, das am 13. November 2018 mit dem Ariel Quartet zu hören war – keine langsame Einleitung, sondern führt im Tempo des Kopfsatzes kadenzmässig in fünf Fortissimo-Akkorden kraftvoll zum Pianoeinsatz des Hauptthemas hin. Seine schöne Melodie vergisst man nicht so schnell, und dadurch fällt einem auch auf, dass das zweite Thema aus ihr abgeleitet ist. Auch das aus Achteln und Achtelpausen gebildete rhythmische Motiv der Einleitung erscheint mehrfach wieder. Das ernste Adagio (F-dur, 6/8-Takt) ist in dreiteiliger Liedform gestaltet, wobei der Mittelteil mit seinem Wechsel von Dur und Moll an die Durchführung eines Sonatensatzes erinnert. Dem ebenfalls einem Sonatensatz angeglichenen Menuett steht ein in kurzen Noten gespieltes Trio in der gleichen Tonart gegenüber. Ein virtuoses, doch nicht allzu übermütiges Vivace-Finale, wiederum – mag die Durchführung auch kurz sein – in Sonatensatz-Form, rundet das Werk ab.
Formal ist das erste der Rasumowski-Quartette eine Art „Variationenfolge“ über die Sonatensatzform. Der erste Satz (ursprünglich war eine Wiederholung von Durchführung und Reprise, nicht aber der Exposition geplant) verzichtet auf Wiederholungen und breitet stattdessen neben vielen thematischen Einfällen grosse, ungewohnte Steigerungen aus. Das fünfteilige scherzohafte Allegretto verbindet das Scherzoschema mit dem Sonatensatz. Als wollte Beethoven die Ungewöhnlichkeit auch dieses Satzes demonstrieren, gab er ihm nicht die Tonart F-dur, sondern B-dur, die eigentlich einem langsamen Satz zukäme. Dieser wiederum steht in f-moll und bildet erneut einen Sonatensatz. Er steht als Adagio molto e mesto in grösstem Gegensatz zum vorangehenden Scherzo und kommt mit geradezu barocken Trauerfloskeln daher. Die Tiefe dieses Satzes kann mit dem Trauermarsch der Eroica verglichen werden. Beethoven hat in die beiden ersten Quartette bekanntlich russische Melodien eingebaut, wohl zu Ehren des Auftraggebers. Was er aber daraus macht, ist erstaunlich. Aus einem volksliedhaften Klagelied der russischen Sammlung von Iwan Pratsch (1790 erstmals in St. Petersburg erschienen – Beethoven besass eine Ausgabe) wird ein Rondothema mit geradezu tänzerischer Energie – doch handelt es sich gar nicht um ein echtes Rondo, sondern wieder um einen Sonatensatz. Beethoven arbeitet mit Überraschungseffekten, indem er mit Konventionen bricht, daraus aber eine vollkommen überzeugende Neugestaltung bildet. Ein Höhepunkt des Quartetts ist sicher der Übergang vom langsamen zum Schluss-Satz: Aus einem beinahe banalen Überleitungstriller der Violinkadenz wächst das Finalthema heraus.

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 69, B-dur, op. 71, Nr. 1, Hob. III:69 (1793)
Allegro
Adagio
Menuetto: Allegretto – Trio
Finale: Vivace

Ottorino Respighi 1879-1936

Quartetto dorico (Streichquartett Nr. 2) (1920)
In einem Satz

Ludwig van Beethoven 1770-1827

Streichquartett Nr. 7, F-dur, op. 59, Nr. 1 «1. Rasumovsky-Quartett» (1805/06)
Allegro
Allegretto vivace e sempre scherzando
Adagio molto e mesto –
Thème russe: Allegro – Adagio, ma non troppo presto