Auch
Bartóks 5. Quartett ist mit den USA verbunden. Es entstand sechs Jahre nach dem vierten als Auftrag der amerikanischen Mäzenin Elizabeth Sprague Coolidge (1864-1953) in nur vier Wochen im August/September des Jahres 1934. Für Bartók, der oft lange um ein Werk rang, ist das auffallend kurz. Auf Wunsch der Auftraggeberin spielte das Kolisch Quartett, zugleich Widmungsträger, die Uraufführung am 8. April 1935 in Washington. Mit dem 4. Quartett hat es die äussere Form – man hat sie Bogen- oder Brückenform genannt – gemeinsam: Vier Sätze legen sich, was Tempo, Charakter, Dauer und weitere Gesichtspunkte betrifft, symmetrisch um einen zentralen Satz herum. Beim Vorgänger war das ein langsames Stück (Non troppo lento), um das zwei Scherzi stehen; beide Aussensätze hatten ein rasches Tempo. Im 5. Quartett geht Bartók punkto Symmetrieachse noch etwas weiter, wird diese doch vom Trio (Vivacissimo) eines Scherzos in der Mitte des ganzen Werks gebildet. Dieser Mittelsatz ist kein rein heiteres oder heftiges Scherzo, sondern wirkt gelegentlich geradezu verspielt. Ebenso wenig bilden, wie die Bezeichnung alla bulgarese andeuten könnte, bulgarische Melodien das Material. Bartók bezieht die Bezeichnung auf die Rhythmik mit ungleichmässigen, ständig wechselnden Metren. Im con sordino zu spielenden Trio etwa ist die Taktform mit 3+2+2+3/8 angegeben. Auch die übrigen Sätze nehmen die Bogenform auf, einerseits im Rückgriff auf den «Spiegelsatz», andererseits auch im Satzinnern. So treten im Kopfsatz in Sonatenform mit drei Themen in der Reprise die Teile rückläufig auf. Seine Themen werden im Schlusssatz wieder aufgegriffen und verarbeitet. In dessen Mittelteil steht eine Fuge. Die beiden den Mittelsatz rahmenden langsamen Sätze hängen insofern zusammen, als das Andante das Thema des Adagio frei aufnimmt und weiterentwickelt, wie auch im Scherzo die Reprise eine Variante des ersten Teils ist. Kommt dazu, dass das Werk Elemente der ‚klassisch-ernsten’ Musik und der Volksmusik harmonisch verbindet. Auch wenn, vor allem im ersten Satz, das Heftige nicht zu kurz kommt, wirkt das Stück eher heiter und transparent.
Bartók, lange Zeit ein Meister in der Synthese von Kunst- und Volksmusik, wandte sich im sechsten, vom Komponisten als Gast Paul Sachers in Gstaad im August 1939 begonnenen Quartett von diesem Prinzip ab. Die Zeit verlangte wohl anderes, wie die verschiedenen, stetig wachsenden Abhandlungen derselben Mesto-Musik zu Beginn der vier Sätze zeigen. Obwohl parodistisch-groteske Elemente in den Mittelsätzen nicht fehlen, ist es der Trauerton, der den Charakter des Werks bestimmt. Die Rückkehr zur Viersätzigkeit und zur Tonalität sind äussere Zeichen für den neuen Standort in Bartóks Leben und Schaffen. Das Auskosten des Mesto-Charakters bis hin zum Verstummen bedeutet nicht nur den Schluss von Bartóks Quartettschaffen, sondern auch, was der Komponist nicht wissen konnte, des letzten in Europa geschriebenen Werks.