
Der «Mozart der Romantik», wie sein Freund Robert Schumann ihn nannte, hiess nicht Amadeus, sondern Felix. Schon als Kind brachte Mendelssohn scheinbar mühelos erste grössere Kompositionen aufs Papier. Da er aus einer begüterten Bankiersfamilie stammte, war es finanziell kein Problem für die Eltern, das Talent des kleinen Felix angemessen zu fördern. Studienreisen führten ihn durch viele europäische Länder, und sie dienten ihm nicht nur zur Bildung, sondern auch als Inspirationsquelle. Aus dem Jahre 1820 – der Komponist war 11 Jahre alt – datiert das erste Werk Mendelssohns – ein «Rezitativo» für Klavier. Noch im selben Jahr komponierte Mendelssohn bereits ein Singspiel, eine Violinsonate, Lieder, Klaviermusik zu zwei und vier Händen und ein erstes Klaviertrio. Erst 19 Jahre später, 1839, kehrte er mit dem von einer grossen Melodienfülle geprägten Trio d-moll zu der Besetzung zurück. Damals hatte Mendelssohn bereits vier Jahre den Posten als Leiter der Leipziger Gewandhauskonzerte inne. Bei der Uraufführung des Trios im Jahre 1840 wirkte Mendelssohn selbst als Pianist mit. Die beiden Mitstreiter waren mit Ferdinand David (Violine) und Carl Wittmann (Violoncello) Musiker aus dem Gewandhausorchester, für die Mendelssohn noch mehr Solowerke schreiben sollte.
Es hat lange gedauert, bis der polnisch-russische Komponist Mieczysław Weinberg seine verdiente Entdeckung erlebte. Ein besonderer Anlass war sein 100. Geburtstag im Jahre 2019, die einiges aus seinem Werk – darunter einundzwanzig vollendete Sinfonien, sechs Opern, Konzerte sowie Klavier- und Kammermusik – auch im Westen auf die Podien brachte. Weinberg studierte in Warschau, musste miterleben, wie seine Heimatstadt im Zweiten Weltkrieg in Flammen aufging und er selbst verfolgt wurde. Über Minsk kam er auf der Flucht ins sowjetische Taschkent. Von hier schickte er 1943 dem berühmten Kollegen Dmitri Schostakowitsch seine erste Sinfonie zur Begutachtung. Die Folge war eine Einladung nach Moskau und eine tiefe Freundschaft der beiden, die eine wahre Seelenverwandtschaft offenbarte. Diese soll sogar so weit gereicht haben, dass man sich alle musikalischen Ideen vor weiterer Verarbeitung zeigte und angeblich Themen «vorausträumte», die dann dem anderen einfielen. Was beide auch teilten, waren die Repressalien der von Antisemitismus geprägten stalinistischen Kulturpolitik. 1945, noch in den Kriegswirren, komponierte Weinberg sein Klaviertrio op. 24 – ein emotionales Zeugnis wahrer Verzweiflung, aber nicht nur auf rein expressionistischer Ebene. Die Musik vollzieht sich über weite Strecken wie in einer ziellos voranarbeitenden, oft ins Gewalttätige ausbrechenden Maschinerie gefangen, der man hilflos ausgeliefert scheint.
Oliver Buslau