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  • Streichquartett Nr. 1, Auftragswerk der Gesellschaft für Kammermusik Basel (2017)

Andrea Lorenzo Scartazzini 1971-

Der in Basel geborene Andrea Lorenzo Scartazzini besuchte das Humanistische Gymnasium und studierte danach Germanistik und Italianistik an der Universität Basel sowie Komposition bei Rudolf Kelterborn in Basel und Wolfgang Rihm in Karlsruhe. 1999/2000 war er für ein Studiensemester an der Royal Academy of Music in London. Er erhielt mehrere Preise, darunter den Studienpreis der Ernst von Siemens Stiftung München, die Jakob Burckhardt-Auszeichnung der Goethe-Stiftung Basel sowie den Alexander Clavel-Preis Riehen. 2004 war er Composer in residence an der Uni Witten Herdecke, 2011 Gast im Swatch Art Peace Hotel in Shanghai, 2012/13 Stipendiat am Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia Bamberg. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Opern Wut (UA Theater Erfurt 2006; Theater Bern 2010) und Der Sandmann (UA Theater Basel 2012; Oper Frankfurt 2016). Seine dritte Oper Edward II. kam im Februar 2017 an der Deutschen Oper Berlin zur Uraufführung. Zu seinem Streichquartett Nr. 1 schreibt Scartazzini: «Mein Streichquartett gliedert sich in sechs Sätze – drei kurze (I Vorspiel, III Intermezzo, V Melodie) und drei unbetitelte längere (II, IV, VI). Was im Vorspiel als Grundmaterial erklingt – ein lapidarer gezupfter Gestus, eine vierteltönige, traurige Kantilene und ‚geräuschhaft orchestrierte’ Stille – taucht in verwandelter Form in den Folgesätzen immer wieder auf und bildet somit eine Art Adagio interrotto innerhalb der ganzen Komposition: Inseln des Verweilens, Horchens und Innehaltens. Während die Miniaturen in reduzierter Besetzung erklingen (im Vorspiel Cello und Bratsche, im Intermezzo Cello, Bratsche, 2. Violine, in der Melodie ausschliesslich die beiden Violinen), spielt in den Hauptsätzen das Quartett in voller Formation. Nr. II thematisiert ein Accelerando von langsam schwingenden Akkorden hin zu einem Prestissimo von maximaler ‚Helle’ und Kraftentfaltung, wobei dem Weg über verschiedene Beschleunigungsstufen viel Raum gegeben wird. Zuletzt erlöschen diese klingenden Feuerräder überraschend und zurück bleibt eine nunmehr entkräftete, aschgraue Pendelbewegung, die schattenhaft an den Anfang des Satzes erinnert. In Nr. IV erwächst aus traumartigen Texturen ein zunächst hypnotisch melodischer Singsang, dessen Gesten sich mit der Zeit verselbständigen und zerlegen. Die Schönheit des Anfangs kippt in spröde Bedrohlichkeit. Der letzte Satz des Quartetts (Nr. VI) nimmt Bezug auf zwei musikalische Ideen aus der Oper Edward II. Neben dramatischen Zuspitzungen stehen sowohl Passagen von resignativer Schwere als auch von lyrischer Zartheit. Den Schluss bildet eine kurze Coda mit Elementen des Vorspiels: zu dumpfen repetitiven Pizzicati verdampft – um ein Vielfaches beschleunigt – die melancholische Kantilene in höchster Höhe. Die Klangsprache des Quartetts umfasst eine grosse harmonische Bandbreite, von filigranen Dur-Klängen bis zu schärfster Dissonanz, ohne dass diese Mittel polystilistisch wirken. Die über weite Strecken eingesetzte Vierteltönigkeit dient der Erweiterung des chromatischen Spektrums zur Steigerung der Expressivität.»
I Vorspiel
II
III Intermezzo
IV
V Melodie
VI