• Werk-Details
  • Livre pour quatuor, Chapitres Ia/Ib (1948/49)

Pierre Boulez 1925-2016

Das Livre pour Quatuor ist ein Schlüsselwerk im Schaffen von Pierre Boulez, wurde aber erst 1960 unvollständig veröffentlicht und sogar erst im Jahre 2000 unter Boulez’ Aufsicht so weit möglich gesamthaft aufgeführt (Quatuor Parisii). Die beiden ersten Stücke hat Boulez 1968 orchestriert, nicht zuletzt weil ein Quartett allein ihrer komplexen Struktur fast nicht gerecht werden kann. Hier zeigt sich eine für Boulez typische Vorgehensweise: Die meisten seiner Kompositionen sind nach der Entstehung nicht abgeschlossen, sondern werden laufend ergänzt, angereichert, verändert oder neu instrumentiert. Die Handschrift mit Skizzen und Fragmenten des Livre befindet sich in unserer unmittelbaren Nähe: in der Sacher-Stiftung am Münsterplatz. Von den sechs Kapiteln (von denen Nr. IV nie abgeschlossen und veröffentlicht wurde) sind zwei (Ia / Ib – IIIa / IIIb / IIIc) unterteilt. Wir hören heute das zweiteilige erste Kapitel. Sie zeigen Boulez’ vollständige Abkehr von traditionellen Schemata und Formeln und versuchen eine Synthese von rhythmischen Aspekten, wie sie Boulez’ Lehrer Messiaen untersucht hat, und der von Webern ausgehenden polyphonen und strukturellen Schreibweise, die auf jegliche traditionelle Durchführungsarbeit verzichtet. Boulez nannte das 1948 «l’intégration du rythme à la polyphonie». Weiter entwickelt werden im Livre mehr oder minder komplexe rhythmische Strukturen, die ihrerseits polyphone, bald freie, bald kanonartig strengere Veränderungen (vor allem in den Kapiteln II und VI) erfahren.
Vivo
Moderato