• Werk-Details
  • Les nuits d’été op. 7 H 82-87 Sechs Gesänge für Mezzosopran und Klavier nach Texten von Théophile Gautier (1840/41)

Hector Berlioz 1803-1869

Die Entstehung der sechs Gesänge von Berlioz‘ „Nuits d’été“ ist nicht völlig geklärt. So findet man dafür vereinzelt das Jahr 1834, was kaum stimmen kann, obwohl der mit dem Dichter befreundete Berlioz einzelne Texte aus Théophile Gautiers erst 1838 erschienener Gedichtsammlung „La comédie de la mort“ möglicherweise früher kennen gelernt hat. So dürfte 1840/41 zumindest für den ganzen Zyklus richtiger sein. 1841 wurde die Version für Mezzosopran oder Tenor mit Klavier publiziert. Die heute viel bekanntere Orchesterversion ist später in mehreren Phasen entstanden (Absence bereits 1843) und erschien 1856 im Druck. Dem Orchestrierungsvirtuosen Berlioz gelangen hier die Klangfarben hervorragend, während ihm das Klavier, das er selbst nie gelernt hatte, nicht lag und er darum auch nicht am Klavier komponierte. In seiner Jugend war er allerdings ein ausgezeichneter Gitarrist, und seine frühesten Lieder schrieb er denn auch mit Gitarrenbegleitung. Berlioz war von Shakespeare begeistert, hatte sich in die Shakespeare-Darstellerin Harriet Smithson verliebt und sie 1833 geheiratet. Man kennt sie aus der Symphonie fantastique – und dieses persönlich gefärbte Werk verlockt, auch in den „Nuits d’été“ Autobiographisches zu suchen. Zur Zeit dieser Komposition war allerdings der Liebesrausch vorbei und die Beziehung scheiterte endgültig. Ob der von Berlioz erfundene Zyklus-Titel einen Bezug zu Shakespeares A Midsummer Night’s Dream und auch so vielleicht eine Reminiszenz an die Erfahrungen mit Harriet herstellen sollte, bleibt ungewiss. Bei drei der sechs Gedichte Gautiers hat Berlioz den Titel verändert; das erste heisst dort Villanelle rythmique, „Auf den Lagunen“ Lamento: La chanson du pêcheur und „Auf dem Friedhof“ Lamento. Nach dem heiter-graziösen Bauernliedchen von Villanelle, wohl als eine Erinnerung an schönere Zeiten zu verstehen, folgt der phantastische Traum von der gestorbenen Rose, welche die Frau am Vorabend bei einem Ball (man denkt an den 2. Satz der Symphonie fantastique) am Busen getragen hatte, eine geisterhaft beginnende, sich zur erotischen steigernde und wieder im Pianissimo endende Phantasie. Die Totenklage des Lamento gibt sich als Barkarole mit traurigen Schifferrufen im Refrain und gipfelt im Refrain eines Klagerufs. Im folgenden Absence in Fis-dur hat Berlioz nur drei der acht Strophen Gautiers vertont, dafür die erste mit dem verzweifelten Ausruf als Refrain benutzt. Das fünfte Lied zeichnet auch klanglich das tief-romantische Bild einer dunklen Nacht auf dem unheimlichen Friedhof, aus dem das weisse Grab des Mädchens aufscheint und wo die Taube klagt. Das letzte Lied, nochmals als Barkarole gestaltet, wirkt heiter elegant – und endet doch ironisierend und für Liebende ernüchternd im Nichts: Das Ufer der Treue kennt man im Land der Liebe nicht. Ist das Berlioz’ definitive persönliche Erkenntnis, die er im frühesten grossen französischen Liederzyklus und wohl überhaupt ersten Orchesterliedzyklus zum Ausdruck bringen wollte?
Villanelle
Le spectre de la rose
Sur les lagunes: Lamento
Absence
Au cimetière: Claire de lune
L’île inconnue