Konzerte Saison 2011-2012

  • 18.10.2011
  • 20.15
  • 86.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Olga Peretyatko, Sopran Matthias Samuil, Klavier

Olga Peretyatko stammt aus St. Petersburg und begann ihre musikalische Laufbahn mit 15 Jahren im Kinderchor des Mariinsky-Theaters. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Chordirigentin, bevor sie ein Gesangsstudium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin aufnahm. Bei mehreren Wettbewerben war sie erfolgreich, unter anderem beim internationalen «Operalia»-Wettbewerb in Paris (2. Preis). Von 2005 bis 2007 war sie Mitglied des Opernstudios der Hamburgischen Staatsoper. Es folgten Engagements an der Deutschen Oper Berlin, der Staatsoper Berlin, an der Staatsoper München, am Théâtre des Champs-Elysées in Paris, an La Fenice in Venedig sowie beim Rossini Opera Festival in Pesaro und bei der La Folle journée de Nantes. Internationale Aufmerksamkeit erhielt sie als Rossignol in der gefeierten Inszenierung der gleichnamigen Strawinski-Oper 2010 beim Festival Aix-en-Provence (Koproduktion mit der Opéra de Lyon; im Winter 2011 von Arte übertragen). Die Sängerin wird in dieser Rolle demnächst auch in Amsterdam, New York und Kanada gastieren. Weitere Engagements führen sie zudem nach Wien, Palermo und Paris. Im vergangenen Sommer hat sie beim Opernfestival im römischen Theater von Avenches als Gilda (Rigoletto) triumphiert und sie wird im Februar 2012 in Lausanne Händels Alcina verkörpern. Olga Peretyatko arbeitete unter anderem mit Daniel Barenboim, Lorin Maazel, Zubin Mehta, Renato Palumbo, Marc Minkowski und Alberto Zedda. Sie hat einen Exklusivvertrag mit Sony Classical. Vor kurzem ist ihr Arienalbum „La bellezza del canto“ erschienen – Opernwelt (2011-9/10) urteilt: «Peretyatko...spielt souverän, lebendig und ausdrucksvoll mit dieser Musik ... Mit ihrem silbrigen, glitzernden, süssen Ton erinnert sie ein wenig an die junge Lucia Popp.»

Matthias Samuil wurde 1979 in Berlin geboren. Neben der Beschäftigung mit Musik zeigte er frühzeitig auch ein naturwissenschaftliches Interesse. Er war mehrfach Preisträger der Bundeswettbewerbe «Jugend musiziert» und «Jugend forscht» sowie zahlreicher Mathematikolympiaden. Er studierte Klavier bei Annerose Schmidt und Hella Walter-Arndt an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Im Bereich Kammermusik und Liedbegleitung erhielt er Unterricht von Walter Olbertz und Wolfram Rieger. Einen Schwerpunkt seiner pianistischen Tätigkeit bildet die Zusammenarbeit mit Opern- und Liedsängern. Seit 2006 ist er Lehrbeauftragter für Korrepetition im Bereich Gesang/Musiktheater an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin.

Lieder von Rachmaninow, Tschaikowsky, Strauss, Camille Saint-Saëns u.a.

Vogelgesänge und andere seltene Vokalstücke – Anmerkungen zu einigen der aufgeführten Stücke

Wenn sich im Werkverzeichnis Rachmaninows bei Wikipedia nur eine summarische Übersicht über die Vokalkompositionen findet und zu lesen ist: «Rachmaninows umfangreiche Liedkompositionen sind (mit Ausnahme der Vocalise aus op. 34) wenig populär», so trifft das zu. Allerdings nicht nur auf diesen Komponisten, sondern die Aussage gilt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, punkto Bekanntheitsgrad für das ganze heutige Programm. Rachmaninow ist als Klavierkomponist berühmt. Das erste Lied Siren′ hat er denn auch für Klavier solo bearbeitet und selber eingespielt. Die berühmte Vocalise, das letzte Stück eines Opus mit 14 Vokalkompositionen, erklingt in der Originalfassung für Sopran und Klavier (daneben existieren zahlreiche Versionen, z. T. von Rachmaninow, für verschiedenste Instrumente und mit Orchester). Die Sängerin kann den Vokal, auf dem sie die Gesangslinie gestalten will, selber wählen.

Michail Glinka, der Vater der russischen weltlichen Musik, speziell der Oper, komponierte «Die Lerche» 1840 als Nr. 10 des zwölfteiligen Romanzenzyklus «Proschchnije S. Peterburgom»/«Abschied von St. Petersburg». Davon fertigte der Pianist, Volksliedsammler und Komponist Mili Balakirev 1864 eine Fassung für Klavier solo an. Er stellte dem Lied eine Introduktion voran und fügte zwischen die Gesangspassagen virtuoses Figurenwerk ein, welches – mehr als es im Original der Fall war – den Gesang der Lerche nachahmt.

Der junge Strauss hat sich für seine über 200 Lieder weniger an die Grossen unter den Dichtern gehalten. Seine Vorlieben gelten Bierbaum, Dahn, Dehmel, Gilm, Hart, Henckell oder Schack. Die Lieder sind meist nicht für das musikalische Zuhause, sondern für den grossen Konzertsaal gedacht, wie auch die Orchestrierungen zeigen. Darum kommen auch kompositorische Mittel des Fin de siècle zum Zug, die man aus den sinfonischen Werken und Musikdramen kennt. Und doch stimmt Strauss oft lyrische Töne an, bei denen grosse Melodiebögen und die Leichtigkeit der Stimme betont werden. Im op. 10, acht Liedern aus Gilms «Letzte Blätter», lässt der Achtzehnjährige in «Die Nacht» Schumann anklingen und die Lichter in fahlen Klängen erlöschen. Henckells «Ich schwebe» ist ganz filigran gearbeitet. «Cäcilie» gehört zu jenen vier Liedern des op. 27, die Strauss am 10. September 1894 seiner Frau Pauline zur Hochzeit schenkte: ein aufrauschender Liebesüberschwang in opernhaftem Schwung und Leidenschaft, was in der klangvollen späteren Orchesterversion erst recht zur Geltung kommt.

«Kommt jetzt der Schwan?» Der Running Gag im Kommentar von Loriot (womit auch der Pirol in den Vogelreigen unseres Programms eingefügt wäre) zum Carnaval des animaux passt nicht recht, wenn der Schwan zu Beginn dieses Reigens auftaucht – bei Saint Saëns bildet das Stück den lange erwarteten Höhepunkt vor dem Finale. Zudem kommt es bei uns als Vokalise gesungen, nicht vom Cello gestrichen daher (der Carnaval entstand für das alljährliche Konzert eines Pariser Cellisten). Das Stück ist kein Schwanengesang, sondern «da kommt im Mondlicht silberweiss der Schwan hereingeglitten» (Loriot). Übrigens hat Saint-Saëns, der befürchtete, als Komponist nicht mehr ernst genommen zu werden, die Veröffentlichung des Carnaval erst postum in seinem Testament freigegeben, weshalb auch eine Opuszahl fehlt.

Das wichtigste Werk des katalanischen Komponisten Enrique (Enric) Granados sind die sechs Klavierstücke «Goyescas» nach Szenen von Francisco Goya (1914). Das vierte (Andante melancolico) trägt den Titel «Quejas, o la maya y el ruiseñor». Als Granados von der Pariser Oper einen Auftrag erhielt, begann er auf der Grundlage der Klavierstücke eine Oper ebenfalls mit dem Titel «Goyescas» zu schreiben. Wegen des 1. Weltkriegs wurde der Auftrag aber zurückgezogen. Für die Metropolitan Opera vollendete Granados das Werk und fuhr zur Uraufführung am 18. Januar 1916 nach New York. Zwei Monate später ertranken er und seine Frau auf der Rückfahrt nach Europa am 24. März 1916 im Ärmelkanal, nachdem ihr Schiff von einem deutschen Torpedo getroffen worden war. Im 3. Bild der Oper singt die weibliche Hauptfigur Rosario, eine vornehme junge Dame, im mondbeschienen Garten auf einer Bank sitzend und dem Gesang der Nachtigall lauschend, ihr Lied. Schon das Klavierstück beruhte auf einer Volksweise, der Granados feinste schillernde Harmonien beifügte.

Am 2. August 1902 fand in Béziers die Uraufführung des Schauspiels «Parysatis» von Jane Dieulafoy (1851-1916) mit Musik von Saint-Saëns statt. Dieulafoy hatte sich mit ihrem Mann, einem Ingenieur, auf archäologischen Expeditionen der Erforschung Persiens und seiner antiken Geschichte gewidmet. Eine Frucht davon war neben Reiseberichten und weiteren Romanen 1890 der historische Roman «Parysatis». Daraus entstand das dreiaktige Drame. Parysatis (persisch Parechtou) bedeutet Schwalbe. Die historische Parysatis war die Tochter des Grosskönigs Artaxerxes I. und Mutter von Artaxerxes II. und des jüngeren Kyros, den sie gegenüber dem älteren Bruder bevorzugte. Kyros versuchte 401 v. Chr. mit einem Heer, dem über 10’000 griechischen Söldner angehörten, seinen Bruder vom Thron zu verdängen, fiel aber in der Schlacht. Diese Geschichte und Parysatis sind aus Xenophons «Anabasis» bekannt. Im 2. Akt des musikalisch untermalten Dramas (als Oper kann man es nicht bezeichnen) kommt es im Rahmen des obligaten Balletts zur Liedszene «Le rossignol et la rose». Saint-Saëns lässt die Sängerin eine Vokalise als Lied ohne Worte vortragen. Die Melodie hatte er während eines seiner zahlreichen Winteraufenthalte in Ägypten 1896 in Alexandria von einem griechischen Sänger gehört. Die Vokalise (senza tempo, ad libitum) erklingt über lang gehaltenen arpeggierten Akkorden; im Orginal steuert ein Frauenchor einige Ausrufe «Ha!» bei. Der Klavierauszug des Werks stammt von Saint-Saëns selbst.

1908 und, nach einem der Komposition von Balletten für Sergej Diaghilev gewidmeten Unterbruch, 1914 schrieb Strawinsky, der auch am Text beteiligt war, eine Kurzoper (Dauer 45 Minuten) auf Grundlage des in China spielenden Märchens «Die Nachtigall» von Hans Christian Andersen. Der Kaiser lässt sich vom Gesang der Nachtigall rühren, wird aber von einer ihm geschenkten künstlichen Nachtigall noch mehr beeindruckt, weil sie, wie der Hofkapellmeister festhält, so genau im Takt singt. Der Kaiser wird krank, der Tod steht schon bereit – da ertönt wieder der Gesang der echten Nachtigall. Der Tod macht sich davon, der Kaiser wird gesund. Hier ist das Lied der Nachtigall aus dem 2. Akt zu hören.

Eva dell’Acqua wurde als Tochter des istrisch-italienischen (damals österreich-ungarischen) Malers Cesare dell’Acqua (1821-1905) und der Belgierin Carolina van der Elst in Brüssel geboren. Neben Liedern hat die Sängerin und Komponistin Opern, Operetten und Orchesterstücke geschrieben. Villanelle, ein Lied einer Hirtin, das mit eleganten Kadenzen aufwartet, ist heute ihr bekanntestes Werk. Es tauchte 1942 auch in Filmen auf. Sein Textdichter Frédéric van der Elst dürfte ein Verwandter der Komponistin gewesen sein.

Sergej Rachmaninow 1873-1947

«Siren’»/«Flieder» (Ekaterina Beketova), op. 21/5 (1902)
Vocalise, op. 34/14 (1912)
«Zdes’ khorosho»/«Hier ist es schön» (Glafira Galina), op. 21/7 (1900-1902)

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky 1840-1893

«Kukuschka»/«Kuckuck» (Alexei N. Pleschtschejev nach Christian Fürchtegott Gellert), op. 54/8 (1883)
Kolybel’naja pesnja/Wiegenlied (Apollon N. Maykov), op. 16/1 (1875)

Mili A. Balakirew 1836-1910

«Zhavoronok»/«Die Lerche», Transkription der Romanze (1840) von Michail I. Glinka (1804-1857) für Klavier solo, b-moll (1864)

Richard Strauss 1864-1949

«Die Nacht» (Hermann von Gilm), op. 10/3 (1882-83)
«Ich schwebe» (Karl Henckell), op. 48/2 (1900)
«Cäcilie» (Heinrich Hart), op. 27/2 (1893/94)

Camille Saint-Saëns 1835-1921

«Le cygne»/«Der Schwan», Nr. 13 aus «Le Carnaval des animaux» für Sopran (Vocalise) und Klavier (1886)

Enrique Granados 1867-1916

«Quejas, o la maja y el ruiseñor»/«Klagen, oder Das Mädchen und die Nachtigall» (Fernando Periquet) aus der Oper «Goyescas», 3. Bild, 1. Szene (1914/16)

Camille Saint-Saëns 1835-1921

«Le Rossignol et la Rose»/«Die Nachtigall und die Rose», Air de ballet (Vocalise) aus dem 2. Akt des Drame avec musique «Parysatis» von Jane Dieulafoy (1902)

Edvard Grieg 1843-1907

«En Svane»/«Ein Schwan» (Henrik Ibsen), op. 25/2 (1876)

Nikolaj Rimskij-Korsakow 1844-1908

«Vesnoj»/«Frühling» (Alexei K. Tolstoi), op. 43/1 (1897)
Vostochnyj romans: «Solovej»/Orientalische Romanze: «Die Nachtigall und die Rose» (Alexander Kolzow), op. 2/2 (1866)

Igor Strawinsky 1882-1971

Gesang der Nachtigall (Stepan S. Mitussow und I. Strawinsky) aus dem 2. Akt des Conte lyrique «Solovej»/«Die Nachtigall» (1914)

Eva dell´ Acqua 1856-1930

Villanelle/Hirtenlied (Frédéric van der Elst) (1893)