Konzerte Saison 2003-2004

  • 2.2.2004
  • 20.15
  • 78.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino, Festsaal

Arion Quintett (Zürich) Adrian Oetiker, Klavier

Im Arion-Quintett haben sich 1996 Gewinner und Gewinnerinnen des Wettbewerbs «Förderung junger Musiker» der UBS zusammen gefunden. Bereits zuvor haben sie unter anderem in Quintettprogrammen mit dem Pianisten Adrian Oetiker oder im Bläserensemble Octomania zusammen musiziert. Daneben treten sie sowohl solistisch als auch in Orchester- und Kammermusikkonzerten in verschiedenen Formationen auf. In den wenigen Jahren seines Bestehens hat sich das Arion-Quintett ein grosses Repertoire in der Originalliteratur wie auch in Bearbeitungen aus verschiedenen Epochen angeeignet. In Zusammenarbeit mit Komponisten und Komponistinnen der jüngeren Generation soll das Repertoire auch weiter bereichert werden.

Isabelle Schnöller studierte in Basel (Kiyoshi Kasai) und Freiburg i. Br. und als Stipendiatin am Banff Centre in Kanada. Sie war Gewinnerin mehrere Preise und konzertiert seither in Europa, den USA und in Kanada.

Matthias Arter studierte bei Peter Fuchs und Thomas Indermühle. Er tritt als Solist und Improvisator auf. Er lehrt Oboe, Kammermusik und Improvisation an der Hochschule für Musik und Theater in Bern. Er ist Mitglied mehrerer Ensembles (Octomania, aequator für Neue Musik) etc.), die zum Teil von ihm gegründet wurden. Seit einigen Jahren ist er auch als Komponist an die Öffentlichkeit getreten.

Curzio Petraglio studierte in Lausanne und Paris. Er ist Mitglied des Orchestre de Chambre de Lausanne und tritt daneben auch solistisch auf.

Lorenz Raths studierte in Zürich. Neben der solistischen Tätigkeit in der Schweiz und in Tschechien spielt er im Tonhalle Orchester Zürich und im Kammerorchester Basel sowie in Kammermusikformationen wie Octomania und im Schweizer Oktett.

Matthias Bühlmann studierte in Basel bei Jiri Stavicek. Er ist Mitglied des Kammerorchesters Basel und des Basler Sinfonieorchesters. Seit jungen Jahren ist er solistisch tätig.

Adrian Oetiker, Klavier

Adrian Oetiker wurde 1968 in St. Gallen geboren. Nach erstem Klavierunterricht bei seinem Vater studierte er in Zürich bei Homero Francesch und an der Juilliard School in New York bei Bella Davidovich. Früh schon erhielt er verschiedene nationale Preise; es folgten Auszeichnungen an internationalen Wettbewerben in Köln, Vevey (Clara Haskil), Dublin und New York. 1994 erhielt er den Kulturförderungspreis der Stadt St. Gallen für die Gründung des Kammermusikfestivals. Er tritt mit Schweizer und internationalen Orchestern auf, auch an Festivals. Seit 1996 leitet Adrian Oetiker an der Musikhochschule Basel eine Berufs- und Konzertklasse. Er hat CDs mit Werken von Beethoven, Schumann, Ravel, Prokofieff und Schostakowitsch eingespielt.

Poulencs Sextett könnte man als Ganzes ein Divertissement nennen: Ein heiteres, unterhaltsames und doch auch besinnliches Stück, das den Bläsern im Wechselspiel reichlich Gelegenheit gibt zu brillieren. Schon der Kopfsatz purzelt frech und munter herein; eine ausführliche langsame Episode lässt aber diesen Einstieg beinahe vergessen, bevor er zurückkehrt. Der explizit als Divertissement bezeichnete langsame Satz kehrt dieses Schema um: Zuerst gibt er sich poetisch-lyrisch, und wird dann von einem raschen Mittelteil unterbrochen. Das Finale, natürlich ein Rondo, greift Motive des ersten Satzes wieder auf und führt mit zum Teil bewusst trivialen Anklängen in raschestem Tempo das Sextett nach knapp zwanzig Minuten scheinbar einem heiteren Ende zu – doch auch hier sorgt eine Klage für Besinnung.

Als Beethoven zwölf Jahre nach Mozart ebenfalls ein Klavierquintett mit Bläsern plante, nahm er sich – natürlich! – jenes Werk zum Muster. Einzig die Kadenz im letzten Satz geht ganz auf seine Rechnung. Bei einer Aufführung improvisierte Beethoven sogar so ausgiebig, dass er die mitwirkenden Bläser verärgerte. Der Klavierpart ist generell solistischer als bei Mozart und entspricht dem neuen Klavierstil; die Bläserparts sind eher im Serenadenstil gehalten. Die Formsicherheit und der klangliche Einsatz der Blasinstrumente zeigen die kompositorischen Fähigkeiten des jungen Beethoven. Eng an sein Vorbild schliesst sich Beethoven an, wenn er mozartsche Themen anklingen lässt, allerdings nicht aus dem Quintett. Das Thema des Andante nimmt unüberhörbar Zerlines Arie Batti, batti, o bel Masetto aus Don Giovanni auf, während das Jagdthema des Finalrondo eine Variante von Mozarts Thema im Finale des Es-dur-Klavierkonzerts KV 482 darstellt.

Mozarts Quintett entstammt einer intensiven Schaffens-Periode im Frühjahr des Jahres 1784 (Klavierkonzerte KV 449, 450, 451, 453), die zugleich geprägt war von vielen Auftritten als Pianist («...abends hab ich fast alle Tage zu spiellen»). So verwundert es nicht, dass das Quintett, am 30. März vollendet, bereits am 1. April im Burgtheater zur Aufführung gelangte (und am 13. Juni wiederholt wurde). Mozart war auf das Quintett stolz, wie er seinem Vater schreibt: «Ich habe 2 grosse Concerten geschrieben und dann ein Quintett, welches ausserordentlichen Beyfall erhalten; ich selbst halte es für das beste, was ich noch in meinem Leben geschrieben habe.» Bei aller Vorsicht solchen Äusserungen gegenüber, entspricht das Quintett tatsächlich in Qualität und Schwierigkeitsgrad den Klavierkonzerten – und weist sogar im Rondo eine Cadenza in tempo auf (unter Mitwirkung der Bläser). Und doch ist es kein Klavierkonzert, sondern echte Kammermusik: Die fünf Instrumente sind gleichwertig entsprechend ihren Klangmöglichkeiten eingesetzt.

Bettina Skrzypczak

Die am Konservatorium von Posen in Musikwissenschaft, Klavier und Kompositionslehre ausgebildete Komponistin Bettina Skrzypczak lebt seit 1988 in Riehen. Bereits 1994 ist ihr 3. Streichquartett als Auftragskomposition in einem unserer Konzerte uraufgeführt worden. Sie hat daneben Chor-, Orchester- und Kammermusik geschrieben. Zu ihrem neuen Werk «In un soffio» schreibt sie:

«Entgegen einem manchmal zu hörenden Vorurteil bin ich keineswegs der Meinung, das Bläserquintett sei eine historisch überholte Gattung, der sich nur noch durch Dekonstruktion etwas Neues abgewinnen lasse. Schon beim Streichquartett, einer noch älteren und ebenso «historisch belasteten» Gattung, hat sich gezeigt, wie falsch solche Annahmen sind. Die Möglichkeiten der Besetzung sind noch längst nicht ausgereizt. Wir befinden uns heute am Ende einer langen Phase des Experimentierens, die bei den Blasinstrumenten einen ungeahnten Reichtum an Geräuschklängen freisetzte. Vor diesem Erfahrungshintergrund haben wir die Chance, den reinen Klang neu zu entdecken und neu hören zu lernen.»

«Klang und Geräusch bedingen einander, das eine geht aus dem andern hervor. Doch die Voraussetzung von beidem ist der Atem. Daran erinnert der Anfang meiner Komposition: Aus einem präzis strukturierten «Urgrund» von Luftgeräuschen und dem Rascheln der shell chimes schält sich der Klang langsam heraus. Er erhält im weiteren Verlauf immer grössere Präsenz, auf dem Höhepunkt entfaltet er sich zu rhythmisch fein verhäkelten Texturen. Im Schlussteil («mit viel Ruhe, misterioso») wird er zwar durch vereinzelte Geräuschelemente wieder eingetrübt, bleibt aber, wenn auch in zunehmend atomisierter Gestalt, als Klang bis in die Schlusstakte hinein präsent.»

«Das einsätzige Werk bildet einen grossen, durch Zäsuren und Momente des Innehaltens gegliederten Spannungsbogen, der eine Ähnlichkeit mit dem Vorgang des Ein- und Ausatmens haben mag. Das italienische Wort soffio kann mit Hauch, Luftgeräusch oder Inspiration übersetzt werden. Die Redewendung «in un soffio» bedeutet aber auch soviel wie «im Nu» und verweist damit auf den Aspekt des schnellen Vollzugs und der erfüllten Zeit.»

Das neue Werk entstand im Auftrag des Arion Quintetts mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde Riehen, der SUISA-Stiftung für Musik, der Präsidialabteilung der Stadt Zürich sowie der Schweizerischen Kulturstiftung Pro Helvetia.