Konzerte Saison 1977-1978

  • 25.4.1978
  • 20:15
  • 52.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Basler Streichquartett [1972-1985] (Basel) Igor Ozim, Violine | Günter Ludwig, Klavier

Am 29. Dezember 1783 vollendete Mozart als Abschluss einer Reihe von Fugenkompositionen der Jahre 1782/83 – Zeichen der ernsthaften Auseinandersetzung mit dem von Baron van Swieten ermöglichten Studium von Bach und Händel – eine Fuge für zwei Klaviere (KV 426). Vier Jahre später griff er darauf zurück, setzte sie für Streichquartett und fügte ein Adagio von 50 Takten hinzu. Dieses «Präludium» weist die kühnsten Harmonien auf, die Mozart je geschrieben hat. Die Fuge (108 Takte) mit einem markanten Thema, das zu den eindrücklichsten Fugenthemen überhaupt gehört, wird vom Cello exponiert.
Mit Beethovens Quartetten des Opus 18 endet die Streichquartettkomposition des 18. Jahrhunderts. Sie beziehen sich noch auf die Haydns und Mozarts. Und doch spürt man, dass hier ein Komponist, der sich erstmals der Gattung zuwendet, neue Wege sucht. Für sein A-dur-Quartett hat sich Beethoven dasjenige aus Mozarts «Haydn-Quartetten» (KV 464), das er besonders schätzte, zum Vorbild genommen. Zu Czerny hat er darüber einmal gesagt: «Das ist ein Werk!» Neben der Tonart sind auch die Satzfolge, die Satzgattungen und -bezeichnungen gleich. Beide Male steht das Menuett an zweiter Stelle. Der dritte Satz ist jeweils ein Variationensatz in D-dur, bei Beethoven jedoch mit nur fünf Variationen gegenüber sechs bei Mozart. Man darf dieses Quartett als Hommage an Mozart verstehen. Der Kopfsatz steht im leichten 6/8-Takt. Sein Hauptthema ist zunächst von einer Art Einleitung mit einem Forte-Akkord sowie aus drei jeweils von drei Achteln geformten Motiven gebildet. Das Seitenthema in e-moll beginnt in Takt 25 und weist gut vernehmliche kleine Sekundschritte (meist aufwärts, Achtel zu Viertel) auf, dazu einen einfachen, unverkennbaren Rhythmus. Die Durchführung arbeitet ebenfalls mit diesen Elementen. Das Menuett beginnt als Duett der beiden Geigen; sie werden nach zwölf Takten in der Wiederholung von Bratsche und Cello abgelöst. Der zweite Menuett-Teil ist auffallend lang (56 Takte). Das Trio hält sich an die bewährte Achttakteregel mit acht bzw. 16 Takten. Sein ländlerhaft klingendes Thema spielen 2. Geige und Bratsche im Duett; daneben erklingt eine rhythmisch gleichförmige Begleitung durch die anderen Instrumente, deren Reiz in der Gemeinsamkeit der Sforzati auf dem unbetonten dritten Taktteil liegt.

Ernest Chausson, der vielseitig begabte Sohn einer Unternehmerfamilie, hatte auf Geheiss seines Vaters zuerst die Rechte studiert und war 1877 Rechtsanwalt geworden. Später konnte er sich dank finanzieller Unabhängigkeit der Musik zuwenden und studierte bei Massenet und Franck. Im Alter von nur 44 Jahren prallte er mit dem Fahrrad gegen eine Mauer und erlitt einen Schädelbruch. So starb noch im 19. Jahrhundert ein Komponist, der die Verbindung zwischen spätromantischer Tradition, speziell der Wagners, und dem modernen französischen Stil des sogenannten musikalischen Impressionismus bildet. Mit Debussy war Chausson denn auch lange Jahre befreundet. Seit 1888 versuchte er in Zusammenarbeit mit ihm, der ja auch nicht ganz unbeeinflusst von Wagner war, «le spectre rouge de Wagner qui ne peut se détacher de moi» auszutreiben. Chausson suchte den Weg über den französischen «classicisme» eines Couperin und Rameau, was wohl auch mit seiner Tätigkeit in der 1871 gegründeten «Société nationale de musique» zu tun hat. Ein wichtiges Werk in dieser Zeit ist - neben der Sinfonie und dem «Poème» - das von Eugène Ysaÿe angeregte «Concert». Es trägt wohl im Rückgriff auf Couperin den französischen Titel «Concert» - kein Virtuosen-Concerto romantischer Art also, sondern Kammermusik, auch wenn es kein Sextett ist. Die beiden zuerst komponierten Sätze Grave (1889) und die an Fauré erinnernde Sicilienne (1890) dürften dem Konzept der «Ars Gallica» am ehesten entsprechen. Harmonisch und im Aufbau lehnt sich das «Concert», nicht zuletzt im zyklischen Wiederaufgreifen früherer Themen, allerdings viel stärker an ein Schlüsselwerk der spätromantischen französischen Kammermusik an: an César Francks Klavierquintett von 1878/79.