Konzerte Saison 1971-1972

  • 7.3.1972
  • 20:15
  • 46.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Kopenhagener Streichquartett (Kopenhagen) Herman Holm Andersen, Viola

KV 516, das Geschwisterwerk zum prächtig-hellen und doch ernsthaften C-dur-Stück, steht in einer von Mozarts Lieblingsmolltonarten: g-moll. Dementsprechend darf es zu seinen grossartigsten Kammermusikwerken gezählt werden. Der erste Satz beginnt kurzatmig-unruhig, das Seitenthema bleibt erstaunlicherweise in g-moll und das erwartete B-dur erscheint erst später in einer Art drittem Thema. Das untänzerisch gebrochene Menuett (im Autograph an zweiter Stelle stehend, in der Erstausgabe an dritter) bewahrt die Tonart des Kopfsatzes, lässt allerdings im G-dur-Trio, das die Schlussfloskel des Menuetts aufnimmt, tröstliche Töne erklingen. Das zweiteilige Adagio, con sordino zu spielen (eine Reminiszenz an KV 174?), steht zwar in Es-dur (2. Thema in b-moll), bewahrt aber eine schmerzliche Heiterkeit. Was soll darauf folgen? Kann das Stück nun einfach – wie üblich – ins heitere G-dur kippen? Mozart zögert diese Tonart und die Sorglosigkeit durch eine Introduktion mit intensivstem Klagelaut hinaus. Und dann folgt das höchst komplexe Rondo, das zwar ein lieto fine suggeriert – aber wie ist das bei Così fan tutte? Ist da die Welt am Schluss wieder in Ordnung?
Schubert waren in der Jugend Sinfonien und Streichquartette für den Schul- bzw. Hausgebrauch leicht aus der Feder geflossen. Dabei handelte es sich meist um eher «leichte» Werke, denen es zwar nicht an Ernst fehlte, die aber doch mehr als Spielmusik denn als tiefgründige Einzelwerke zu gelten haben. Was ihm im Liedschaffen damals immer wieder gelungen ist, fehlte im Instrumentalen noch weitgehend. Erst ab 1820 zeigte sich auch im Instrumentalen eine überraschende Entwicklung. Nun treten auf einmal in den Gattungen Streichquartett und Sinfonie Werke hervor, deren Anspruch und Klangbild neuartig sind. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle nicht zu Ende geführt wurden. Drei betreffen die Sinfonie: 1820 oder später, 1821 und 1822 (die «Unvollendete»). Der wohl früheste gescheiterte Versuch von 1820 ist ein c-moll-Streichquartett, von dem der überraschende Kopfsatz ganz und 41 Takte eines weniger gewichtigen Andante in As-dur vorliegen. Jener ist der bekannte «Quartettsatz». Hier tritt die packende Stimmung, wie sie für den späten Schubert typisch wird, erstmals richtig auf. Die Tremoli sind keine Verlegenheit, sondern gestalten bewusst das Unheimliche und die Unruhe. Das lyrische Seitenthema in As-dur bietet mit seiner Sanglichkeit den Gegenpol, ohne ins Beliebige abzugleiten. Das Stück endet in der Unruhe des Beginns. Schubert fand damals keine gültige Fortsetzung. Der Quartettsatz ist zehn Jahre nach Beethovens «Serioso»-Quartett, einem denkbaren Vorbild, entstanden.
Mozarts sechs Streichquintette (ein Frühwerk, die Bearbeitung eines Bläseroktetts, vier Spätwerke) stehen an Bekanntheit etwas hinter den Quartetten zurück, wohl einfach deshalb, weil man die Quintettbesetzung seltener zur Verfügung hat. Denn von der Qualität her besteht kein Unterschied, im Gegenteil: Die beiden am Beginn des Spätwerks stehenden Quintette KV 515 und 516, im Frühjahr 1787 geschrieben, gehören zu den absoluten Spitzenwerken Mozarts. Wie bei den beiden ein gutes Jahr später entstandenen letzten Sinfonien KV 550 und KV 551 stehen sich die Tonarten C-dur und g-moll gegenüber und bilden auch hier in ihrer Polarität ein komplementäres Paar. Das g-moll-Werk ist fast noch mehr als die Sinfonie ein von Dunkelheit, Emotionalität und Spannungen geprägtes Stück. Wie die «Jupitersinfonie» die umfangreichste Sinfonie, so ist das C-dur-Quintett das längste der Kammermusikwerke. Die Tonart C-dur mag hier weniger als in der Sinfonie strahlenden Glanz, Kraft und Festlichkeit ausdrücken als sublime Heiterkeit, und doch fehlt eine gewisse Monumentalität gerade im Kopfsatz nicht. Violoncello und 1. Violine exponieren das Hauptthema, das sie mit vertauschten Rollen in c-moll wiederholen. Dieses Spiel taucht im Satz mehrfach auf. Das Menuett mit seinen subito-piano-Effekten steht im Autograph an dritter, im Erstdruck an zweiter Stelle. Sein Trio mit reizvollen Oktavgängen der beiden Geigen steht in F-dur wie das zweiteilige Andante. Hier führen 1. Violine und 1. Viola. Trotz seiner Länge von 539 Takte sprudelt das Finale in virtuoser Heiterkeit, aber auch mit kontrapunktischer und harmonischer Raffinesse, in der Synthese von Haydns kurzmotivischem Witz und mozartschen Melodiebögen kurzweilig vorüber.